Expertenfassung

St. Michael

Kirchenstr. 18

erarbeitet von Rafaela Strähle 2015

St. Michael

(Foto W. Mennel)

Die einschiffige Saalkirche mit vorgesetztem Chor ist als Beispiel für Rokoko-Kirchen in Schwaben zusehen. Der Turm der Vorgängerkirche wurde erhöht und eine geschweifte Haube aufgesetzt.

Geschichtliches

Die Frühgeschichte der Pfarrei und besonders ihrer Kirche liegt im Dunkeln. Der erste Kirchenbau ist nach einzelnen Annahmen, wie beispielsweise derer von Heinrich Sinz, wohl bereits zwischen 1000 und 1020 zu vermuten, jedoch gibt es keine schriftlichen Zeugnisse über den Bau.

Sinz, Heinrich: Geschichtliches über das religiöse und kirchliche Leben, S. 129; in: Ebd.: Beiträge zur Geschichte des ehemaligen Marktes und der nunmehrigen Stadt Krumbach (Schwaben), Krumbach 1940, S. 126-S. 166:

„Über die Gestalt der Pfarrkirche vor dem Neubau im 18. Jh. geben die Quellen keine näheren Auskünfte.“

Als erster offizieller Pfarrer der Pfarrei wird Berthold Sülchin im Jahre 1386 genannt, was auf die Existenz einer Kirche in Krumbach hindeutet.

Habel, Heinrich: Kirchenführer St. Michael, München 2003, S. 3:

„Die erste sichere Erwähnung des Ortsnamens stammt von 1156 (Hilteboldus de Crumbach); mit Berthold Sülchin wird 1386 erstmals ein Pfarrer genannt.“

Leider gibt es nur fragmentarische Erkenntnisse über die zwei vermuteten mittelalterlichen Bauphasen, die 1970/73 beim Umbau der Kirche gefunden wurden. Lediglich der in gotisierenden Formen ausgeführte Unterteil des Turmes blieb aus diesen Bauphasen erhalten. Im 17. Jh. wurden die alte Holzdecke und drei vorhandene Altäre umgebaut und 1666 renoviert bzw. erweitert.

Habel, Heinrich: Kirchenführer St. Michael, München 2003, S. 3:

„Auch einige spärliche Grabsfunde von 1970/73 brachten nur fragmentarische Erkenntnisse über vermutlich zwei mittelalterliche Bauphasen.“

Im Jahre 1736 sollen die Reliquien des Hl. Valentins (Märtyrer) von Rom über Augsburg und Weißenhorn nach Krumbach überführt worden sein. Das angegebene Jahr steht jedoch im Widerspruch zu anderen Quellen, die als Datum der Überlieferung 1734 nennen. Die Reliquien des Hl. Valentin wurden von dem reichen venezianischen Adligen Johanes Delfin am 11. Februar 1734 der Pfarrkirche St. Michael in Krumbach gestiftet. 1737 bekam der Pfarrer von Krumbach ein Schreiben vom Augsburger Bischof, der die Authentizität der Reliquien bescheinigte und erst 1739 wurden diese der Öffentlichkeit zur Verehrung ausgestellt. Mit einem Schreiben vom 17. Juni 1739 wurde der Pfarrgemeinde genehmigt, am Festtag des Hl. Valentins (14. Februar) eine besondere Messe zu Ehren des Märtyrers zu feiern.

https://www.heiligenlexikon.de/BiographienV/Valentin_von_Terni.htm, aufgerufen am 15.10.2015:

„Angebliche Gebeine [des Hl. Valentins] liegen auch in der Michaelskirche in Krumbach in Schwaben; diese sind nach einer auf 1734 datierten Urkunde tatsächlich die eines Valentin, der im Gräberfeld San Calepodius nahe der Via Aurelia in Rom - dort, wo heute die Kirche St. Castillo steht, - exhumiert wurde, also die eines klassischen Katakombenheiligen.“

Pfarrarchiv St. Michael, Krumbach (Auskunft von Herrn Gerhard Heinisch, 2015)

Da die Pfarrgemeinde jedoch größer wurde und die Kirche stark baufällig war, wurden schon seit dem Jahre 1730 unter Pfarrer Zell (1729-1737) Pläne für einen Neubau erwogen. Die nötigen Mittel konnten von der Gemeinde erst etwa 20 Jahre später aufgebracht werden, sodass die Pläne erst am 07.03.1751 mit einem Abbruch des alten Gebäudes realisiert werden konnten. Auftakt hierfür bildete die Erhöhung des Turmes auf 47 m, der als einziger Bauteil der mittelalterlichen Bausubstanz erhalten werden sollte.

Sinz, Heinrich: Geschichtliches über das religiöse und kirchliche Leben, S. 152;
in: Ebd.: Beiträge zur Geschichte des ehemaligen Marktes und der nunmehrigen Stadt Krumbach (Schwaben), Krumbach 1940, S. 126-S. 166.

„Die alte Pfarrkirche, die schon etliche Jahrhunderte gestanden war, war zu klein, besonders als die Bevölkerung nach dem Dreißigjährigen Kriege und zu Beginn des 18. Jahrhunderts sehr zunahm.“

Sinz, Heinrich: Geschichtliches über das religiöse und kirchliche Leben, S. 153;
in: Ebd.: Beiträge zur Geschichte des ehemaligen Marktes und der nunmehrigen Stadt Krumbach (Schwaben), Krumbach 1940, S. 126-S. 166.

„Schon unter Pfarrer Zell (1729-1737), einem sehr eifrigen Pfarrherren, war erstlich die Rede von einem Neubau, allein man wollte erst Mittel sammeln.“

Der Grundstein der neuen Kirche wurde am 05.07.1751 gelegt und bereits ein Jahr später war sie weitgehend vollendet. Über dem Südportal, außen im Chronogramm und im Deckengemälde findet sich daher auch das Datum 1752 wieder. 1753 wurden die Bauarbeiten abgeschlossen.

Sinz, Heinrich: Geschichtliches über das religiöse und kirchliche Leben, S. 152;
in: Ebd.: Beiträge zur Geschichte des ehemaligen Marktes und der nunmehrigen Stadt Krumbach (Schwaben), Krumbach 1940, S. 126-S. 166.

„Um 8. März 1751 wurde mit dem Abbruch der alten Kirche begonnen.“

StAA, Urbarium. Generale Beschreibung der Vorderösterreichischen Herrschaft Krumbach, vom Jahre 1759:

„Erst in anno 1752 und 1753 hat die Pfarr Fabric die Pfarr Kirch Thurm und jnngebäu, Freyhof, hergestellt mit Beytrag der Filial Kirchen zu Hürben.“

Da der Umbau zwei Jahre dauerte, verlegte man die Gottesdienste in die Filialkirche St. Ulrich in Hürben.

Sinz, Heinrich: Geschichtliches über das religiöse und kirchliche Leben, S. 152;
in: Ebd.: Beiträge zur Geschichte des ehemaligen Marktes und der nunmehrigen Stadt Krumbach (Schwaben), Krumbach 1940, S. 126-S. 166.

„Darum wurde der Gottesdienst während dieser Zeit in der Filialkirche Hürben gehalten.“

Sinz, Heinrich: Geschichtliches über das religiöse und kirchliche Leben, S. 152;
in: Ebd.: Beiträge zur Geschichte des ehemaligen Marktes und der nunmehrigen Stadt Krumbach (Schwaben), Krumbach 1940, S. 126-S. 166.

„Der Gottesdienst sollte in der Zwischenzeit zuerst öffentlich vor der Kirche gehalten werden. Aber dies war nicht tunlich, weil viele Materialien und das Gerüstholz dort lag[en].“

Der Bau war ein Werk des Baumeisters Zum GlossarJohann Martin Kraemer (21.11.1713 - 05.02.1752) aus Edelstetten, der den Plan der Kirche vermutlich mit Hilfe seines Vaters fertigte. Dies ist jedoch nur schwer nachzuweisen, da der Bau formal sowohl Werken des Vaters Zum GlossarSimpert Kraemer als auch des Sohnes Johann Martin Kraemer entspricht. Gewisse charakteristische Details ähneln jedoch bereits der Kirche in Deubach aus dem Jahre 1740, die ein Frühwerk des Johann Martin Kraemer ist.

Sinz, Heinrich: Geschichtliches über das religiöse und kirchliche Leben, S. 152;
in: Ebd.: Beiträge zur Geschichte des ehemaligen Marktes und der nunmehrigen Stadt Krumbach (Schwaben), Krumbach 1940, S. 126-S. 166.

„Baumeister war Johann Martin Kraemer, geboren am 21. November 1713 als Sohn des Simpert und der Gaubentia Kremer in Edelstetten.“

„Der Plan zur Kirche kann von seinem Vater oder unter dessen Beihilfe gefertigt [worden] sein“

Am 10.08.1753 wurde die neue Kirche durch den Weihbischof Franz X. Freiherr von Adelmann im Beisein der Reichsprälaten Joseph Seitz von Ursberg und Melchior Gast von Wettenhausen geweiht.

Habel, Heinrich: Kirchenführer St. Michael, München 2003, S. 3:

„Am 10. August 1753 konsekrierte der Augsburger Weihbischof Franz X. Frhr. von Adelmann die Kirche und Melchior Gast von Wettenhausen und drei Altäre in Anwesenheit der Reichsprälaten Joseph Seitz von Ursberg.“

Die bisherigen Forschungen haben für die Zwischenzeit keine besondere Ergebnisse ergeben.

1772/73 wurde die Kirche innen restauriert und die Sakristei wurde angebaut. Weitere Restaurierungen fanden 1853, 1897/98 und 1946/48 statt.

Habel, Heinrich: Landkreis Krumbach; in: Bayerische Kunstdenkmale, 29. Band, München 1969, S. 123:

„Restaurierungen 1853, 1897/98 und 1946/48.“

Die letzte Innenrestaurierung wurde 2002/03 durch den Diplom-Restaurator Johannes Amann aus Weißenhorn durchgeführt. 2003 wurde der 250. Weihetag der Kirche gefeiert. In diesem Zusammenhang wurden zwei Glocken erneuert.

Habel, Heinrich: Kirchenführer St. Michael, München 2003, S. 4.

Pfarrarchiv St. Michael, Krumbach (Auskunft von Gerhard Heinisch 2015)

Die letzte Außensanierung fand in den Jahren 2007/09 statt. Dabei wurde der Turm z. T. in roter Farbe gestrichen. Darüber hinaus wurden zwei zusätzliche Glocken von den Familien Diem und Mayer gestiftet. Das Glockengestühl der St.-Michaels-Kirche ist mit acht Glocken nun eines der größten in Schwaben.

Mündliche Auskunft im Pfarramt Krumbach bzw. von Gerhard Heinisch

Gleich, Walter: Krumbach (Schwaben) in Stichworten, hrsg. von der Stadt Krumbach (Schwaben), Krumbach 2014, 199 (Stichpunkt Nr. 2862).

Gleich, Walter: Krumbach (Schwaben) in Stichworten, hrsg. Von der Stadt Krumbach (Schwaben), Krumbach 2014, S. 201 f. (Stichpunkt Nr. 2895).

„27.07. ist Glockenweihe. Mit einem festlichen Glockenzug vom Heimatmuseum in der Heinrich-Sinz-Straße zur Pfarrkirche St. Michael beginnt die Zeremonie. Die zwei Glocken „Gloriossa“ (3.050 kg) und die kleinere Wetterglocke (230 kg) werden in Anwesenheit von Weihbischof Losinger geweiht. Die Glocken werden gespendet von den Familien Hans und Karl Diem sowie Josef und Karin Mayer. Zwei Tage später ist dann „Zentimeterarbeit“ angesagt, geht es doch darum, die schweren Glocken in rd. 30 m Höhe durch ein für diesen Zweck ausgebrochenes Loch in das Innere des Turmes zu befördern.“

Zur Architektur des Gebäudes

Die Kirche befindet sich im Stadtzentrum an der zur Kammel hin abfallenden Seite des Schlossberges, südöstlich des Schlosses und umgeben vom ehemaligen Friedhof. Das Langhaus der Kirche hat eine stattliche Länge von rund 35 m mit hohem Satteldach und ist geprägt von einer nüchternen, kastenartigen Raumauffassung mit relativ starkem Vertikalismus, gegliedert in fünf Achsen mit vorgesetztem östlichem Chor aus dem Jahre 1725. Der riesige Dachboden der Kirche diente bis zum Jahr 1805 traditionell als herrschaftlicher Getreidespeicher.

Mündliche Auskunft von Burkhard Günther:

„Im Stadtzentrum der zur Kammel hin abfallenden Ostseite des Schloßberges, südöstlich vom Schloß gelegen, vom ehem. Friedhof umgeben. - stattlicher, ca. 35 m langer Bau von einer großzügig-nüchternen, kastenartigen Raumfassung mit für die Zeit relativ starkem Vertikalismus (vgl. Abteikirche Roggenburg).“

Sinz, Heinrich: Geschichtliches über das religiöse und kirchliche Leben, S. 154 f.; in: Ebd.: Beiträge zur Geschichte des ehemaligen Marktes und der nunmehrigen Stadt Krumbach (Schwaben), Krumbach 1940, S. 126-S. 166.

„Beim Kirchenbau bildet eine heikle, aber berechtigte Streitfrage die Unterbringung eines Fruchtkastens auf dem Kirchenboden, welchen die Herrschaft auf Kosten der Kirche verlangte. Das Kordinariat entschied auf ein Schreiben des Pfarrers; es schicke sich nicht, auf dem Kirchenboden einen Getreideboden zu haben.“

Der rund 47 m hohe Turm, dessen Unterteil (bis etwa Zweidrittelhöhe) ein Bauteil des 16. Jh. ist und dessen gotisierende Formen noch gut erkennbar sind, findet mit dem quadratischen Turm aufeinander, mit abgeschrägten Ecken und geschweifter, achteckiger Haube aus Kupferblech samt Doppelkreuz seinen Abschluss nach oben. Letztere ist wohl im sogenannten Zum GlossarZopfstil gehalten.

Mündliche Auskunft von Burkhard Günther

http://www.wissen.de/lexikon/zopfstil, aufgerufen am 12.11.2015:

„ungenaue, meist abwertend gebrauchte Bezeichnung für bestimmte, zur Steifheit und Verschrobenheit neigende Merkmale der den Übergang vom Rokoko zum Klassizismus vollziehenden Kunst um 1760-1780; benannt nach der damals herrschenden Zopfmode.“

Eine leichte Schrägstellung zur Längsachse der Kirche an der Südseite des Langhauses weist auf eine Verschiebung der Kirche beim Neubau im Jahr 1751 hin. Konkrete Aussagen über die rote Farbe der Kirche und des Turmes sind durch die bisherigen Recherchen nicht sicher nachgeweisen worden. Es wird vermutet, dass die rote Farbe seit der Turmerhöhung im Jahre 1751 verwendet wird. Dies lässt sich jedoch nicht durch schriftliche Belege nachvollziehen.

An der Kirche mitwirkende Künstler:

Turmerhöhung: Zum GlossarSimpert Kraemer (Baumeister, bereits 70 Jahre alt), Karl Klughammer (Zimmermeister)
Kirchenbau: 1751/52 Zum GlossarJohann Martin Kraemer (Sohn; Baumeister)
Stuckateur: J. M. Kraemer, Franz Xaver Fichtmayr
Decken- und Emporengemälde, Kreuzwegstationen: Zum GlossarFranz Martin Kuen (Maler aus Weißenhorn)
Hochaltar: 1755 Brüder Johann (2.) und Franz Joseph Bergmüller aus Türkheim
Fassung (Altar): Lukas Schrott, Zum GlossarJakob Fröschle

Habel, Heinrich: Kirchenführer St. Michael, München 2003.