Expertenfassung

Historisches Rathaus

Marktplatz 1

erarbeitet von Nathalie Schlosser 2015

Historisches Rathaus

(Foto M. Prautzsch)

Es ist das historische Rathaus Krumbachs.
Das Gebäude und der Marktplatz wurden als Schranne genutzt.

Geschichtliches

Das historische Rathaus wurde im Jahr 1679 unter dem Bürgermeister Melchior Steichele errichtet.

Gleich, Walter: Krumbach (Schwaben) in Stichworten, hrsg. von der Stadt Krumbach (Schwaben), Krumbach 2014, S. 14 (Stichpunkt 180):

„1679 wird unter Bürgermeister Melchior Steichele das derzeitige historische Rathaus erbaut.“

Die Glocke wurde von Pfarrer Josef Zell gezahlt. Sie wurde genutzt, um die Bürger zum einen an das Zahlen der Steuern und zum anderen an die Nachtruhe zu erinnern.

Sinz, Heinrich: Herrschaftliche Häuser, S. 309; in: Ebd.: Beiträge zur Geschichte des ehemaligen Marktes und der Stadt Krumbach (Schwaben), hrsg. von Karl Ziegler, Krumbach 1940, S.309-314:

„Dieses Glöckle ist gestiftet worden von einem hießigen Pfarrer Josef Zell, damit zu nächtlicher Zeit das Zeichen gegeben werden könne, daß Bürger aus den Wirtshäusern gehen sollen.[...] [D]amit wird Bürgern auch zur Erlegung der Steuer das Zeichen gegeben.“

Die Glocke war für den Betrieb der Schranne ebenfalls sehr wichtig, denn sie gab an, ab wann und bis wann man dort Getreide kaufen bzw. verkaufen konnte.

Wüst, Wolfgang: Krumbach: Die Epoche zwischen Dreißigjährigem Krieg und dem Ende des Alten Reiches, S. 100; in: Kreuzer, Georg / Schmid, Alfons / Wüst, Wolfgang [Hg.]: Krumbach. Vorderösterreichischer Markt. Bayerisch-Schwäbische Stadt, Band I, Krumbach (Schwaben) 1993, S. 60-118.

Das Rathaus hatte im Keller mehrere Räume für die Lagerung von Gütern.

StAA, Urbarium. Generale Beschreibung der Vorderösterreichischen Herrschaft Krumbach, vom Jahre 1759:

„Von [den Gaden] hinein rechter Hand ein großes Gewölb zur Niederlag und Einsatz. Beßer hervor gegen dem Marckht ein gewölbter Keller, zur Wein Niederlag.“

Sinz, Heinrich: Herrschaftliche Häuser, S. 313; in: Ebd.: Beiträge zur Geschichte des ehemaligen Marktes und der Stadt Krumbach (Schwaben), hrsg. von Karl Ziegler, Krumbach 1940, S. 309-314:

„ein gewölbter Keller zur Weinniederlag.“

Am heutigen Durchgang des Rathauses verkauften alle Metzger und Fruchthändler bis 1880 ihre Waren.

StAA, Urbarium. Generale Beschreibung der Vorderösterreichischen Herrschaft Krumbach, vom Jahre 1759:

„In den unteren gaden befindet sich die Mezg, das Fruchthaus.“

Gleich, Walter: Krumbach (Schwaben) in Stichworten, hrsg. von der Stadt Krumbach (Schwaben), Krumbach 2014, S. 50 (Stichpunkt 649):

„[B]is zu diesem Jahr verkaufen alle K. Metzger ihre Waren ausschließlich im Rathaus (am Samstag) und zwar dort, wo heute der Rathaus-Durchgang am alten Marktplatz ist.“

Der Rathausplatz wurde auch für Zwecke der Schranne bzw. für seinen Markt verwendet. Die Bürger mussten für ihre Stände festgelegte Summen zahlen. Ein Krumbacher musste für einen Stand nichts bezahlen, für einen weiteren Stand aber schon.

StAA, Urbarium. Generale Beschreibung der Vorderösterreichischen Herrschaft Krumbach, vom Jahre 1759:

„Hans Lamparth v. Greifenstein habe dies durch Losung an sich gebracht […] . “
„Dato aber wirdt folgendes Standgelt bezochen, und der in dem urbario respu des Stand-gelts an disen und jenen Marckht bemerckhte Unterscheid nit mehr beobachtet. Nur ist noch besonders anzumerkhen, das der Burger zu Krumbach, aber nur von einem Stand des Standgelts befreyet.“

In der Zum GlossarSchrannenordung von 1832, die auf Zum Glossarfrühneuzeitlichen Textvorlagen, z. B. dem Urbarium von 1759, basierte, wird beschrieben, dass alle Händler ihr Getreide ausschließlich dort, am Samstag von 10 Uhr bis 14 Uhr, kaufen und verkaufen durften. Die Schrannen-Ordnung zeigt die monopolartige Stellung des Kornumschlags, die seitens der Markgrafschaft Burgau auf ihrem Territorium gefördert wurde. Daneben fand hier auch der Fruchtmarkt statt. Wer sein Getreide anderswo verkaufte oder nicht ablagerte, durfte an diesem Tag die Schranne nicht mehr betreten. Das Getreide musste trocken, sauber und ungemischt sein. Die Angaben bezüglich der Qualität und Quantität mussten stimmen und das bayerische Maß war von allen zu verwenden. Wer diese Dinge nicht eingehalten hatte, musste eine Geldstrafe bezahlen.

StAA, Urbarium. Generale Beschreibung der Vorderösterreichischen Herrschaft Krumbach, vom Jahre 1759:

„Alle Wochen wirdt an dem Sambstag oder wann der Wochen Marckht gehalten wirdt, auch Frucht Marckht gehalten.“

Bei der Schranne gab es einen Schrann-Meister, zwei Frucht-Meister und vier Sack-Träger. Ihre Tätigkeiten wurden entlohnt.

StAA, Urbarium. Generale Beschreibung der Vorderösterreichischen Herrschaft Krumbach, vom Jahre 1759:

„Der zu dieser Schrannen oder Frucht Marckht benötigten Bedienten. Ist für sich selbsten der Herrschaft als benant: Schrann-Meister 2: Frucht-Meister 4: Sackh-Trager werden auch von dar aus, das ist Erstere drey Verpflichtet, und Besoldet.“

Das Obergeschoss des Rathauses wurde als Gerichts- und Schreibstube genutzt, die man durch eine Außentreppe an der Nordwand, unter der sich das sogenannte „Narrenhäusel“ befand, erreichen konnte. Das „Narrenhäusel“ diente zur Bestrafung jüngerer Bürger, vergleichbar mit einem Pranger, an dem man Erwachsene für geringere Vergehen bestrafte. Der Pranger wurde an dem zweiten Stockwerk nach außen hin angebracht.

von Hagen, Bernt / Wegener-Hüssen, Angelika: Denkmäler in Bayern (Landkreis Günzburg), München 2004, S. 316:

„das Obergeschoss war für die Gerichts- und Schreibstube bestimmt [...]“

Sinz, Heinrich: Herrschaftliche Häuser, S. 313; in: Ebd.: Beiträge zur Geschichte des ehemaligen Marktes und nunmehrigen Stadt Krumbach (Schwaben). Krumbach (Schwaben) 1940, S. 309-314:

„2. Stock. Ueber ein [sic] außerhalb des Rathauses hinaufgehende doppelte Stiegen [sic], worunter das sogenannte Narrenhäusel [...] ist.[...] Von diesem Stock hinaus ist der Pranger gebaut.“

Die alte Glocke hatte einen Riss bekommen. Daher erhielt der Rathausturm 1916 eine neue Glocke mit 44,5 kg für 134 Mark, die von Georg Wohlfahrt aus Lauingen hergestellt worden war.

Gleich, Walter: Krumbach (Schwaben) in Stichworten, herausgegeben von der Stadt Krumbach (Schwaben), Krumbach 2014, S. 74 (Stichpunkt 941):

„nachdem die alte Glocke auf dem Rathausturm durch einen Riß beschädigt und unbrauchbar geworden war, wird beim Glockengießer Georg Wohlfahrt in Lauingen eine vorhandene Glocke mit 44,5 kg Gewicht um den Betrag von 134,- Mark beschafft“

Das Rathaus wurde mehrfach renoviert: 1864, 1865, 1933/34, 1949/50 und 1987. Allerdings war die wichtigste Umbauphase 1933/34 unter Leitung des Augsburger Regierungsbaumeisters Wilhelm Wichtendahl. Dabei wurde unter anderem das vermutlich im 19. Jh. verputzte Fachwerk wieder freigelegt, der Putz erneuert, weshalb dieser auch untypisch glatt für historische Fachwerke ist, sowie die Lauben wieder geöffnet, die anfangs des 19. Jh. zugemauert worden waren, und eine neue Treppe im Inneren eingebaut. Eine tragende Rundholzstützenreihe wurde im Obergeschoss durch eine Mittelwand ersetzt. Die Verkehrsverhältnisse um das Rathaus wurden ebenfalls verbessert.

von Hagen, Bernt / Wegener-Hüssen, Angelika: Denkmäler in Bayern (Landkreis Günzburg), München 2004, S. 316:

„Von zahlreichen belegten Umbauphasen im 19. Jh. (1864 und 1895) und 20. Jh. (1933/34, 1949/50, 1987) war jene von 1933/34, die der Augsburger Regierungsbaumeister Wichtendahl im Auftrag der Stadt Krumbach durchführte, wohl die einschneidendste (Wichtendahl 1934, S. 245 ff.). Aus dieser Zeit stammt die Purifizierung des historischen Grundrissgefüges verbunden mit der Neuanlage der – den geänderten Bedürfnissen entsprechenden – Treppe, einem dritten Fenster für den östlichen Sitzungssaal und dem Wiedereröffnen der zugemauerten Pfeilerarkade (Akt BlfD) sowie die komplette Putzerneuerung, was zu dem für historische Fachwerkbauten unüblichen glatten Mauer- und Fachwerkcharakter führte. Gleichzeitig wurden die Verkehrsverhältnisse um das Rathaus wesentlich verbessert.“

Habel, Heinrich: Landkreis Krumbach; in: Gebhart, Torsten / Horn, Adam [Hg.]: Bayerische Kunstdenkmale, Bd. 29, München 1969, S. 142:

„1933 wurde das Äußere im ursprünglichen Sinn wiederhergestellt (Laube wieder geöffnet, Fachwerk freigelegt und, wo schadhaft, ausgewechselt, der morsche Dachreiter erneuert), das Innere neugestaltet.“

1949/50 wurde der Dachboden für Büros ausgebaut und die Fassade ausgebessert. 1976/77 wurden zudem die Zum GlossarKehlbalkenkonstruktion stabilisiert, das Fachwerk am Westgiebel wieder freigelegt, der Außenputz erneuert und neue, bleiverglaste Eichenfenster eingebaut.

von Hagen, Bernt / Wegener-Hüssen, Angelika: Denkmäler in Bayern (Landkreis Günzburg), München 2004, S. 316:

„1949/50 erfolgten der Dachausbau mit den erforderlichen Schleppgauben für zusätzliche Büroräume sowie weiteren Erneuerungen bzw. Ausbesserungsarbeiten an den Fassaden, wobei bereits damals seitens des Landesamtes die fehlerhafte Anbringung des Gefacheputzes bemängelt wurde.“
„Die umfangreichen Instandsetzungsmaßnahmen von 1975/76 bezogen sich auf die Neueindeckung und Stabilisierung de[r] historischen Kehlbalkenkonstruktion mit Versteifung, [die] Auswechslung schadhafter Balken, [die] Freilegung des Fachwerkes am Westgiebel, Putzerneuerungen der Fassaden und [die] komplette Erneuerung der Fenster.“

Die Wappen am historischen Rathaus

(Foto M. Prautzsch)

Die von dem Memminger Kunstmaler Erich Marschner gestaltete Fassadenmalerei an der Westseite wurde 1977 fertiggestellt. Sie zeigt verschiedene Wappen, die auf die unterschiedlichen Herren von Krumbach hinweisen:

  • der österreichische Doppeladler: Zugehörigkeit Krumbachs zur Markgrafschaft Burgau und Hinweis auf das österreichische Haus Habsburg
  • die Wappen der Stadt und des Landkreises
  • das Wappen der Familie von Ellerbach: Krumbach war von 1325 bis 1438 an die Familie von Ellerbach verpfändet
  • das Wappen der Familie Lamparter von Greifenstein: unter dem Vorbehalt des Wiederkaufs erhielt der kaiserliche Rat Hans Lamparter von Greifenstein Krumbach und Hürben von Ferdinand I. aus dem Haus Habsburg
  • das Wappen der Familie Weber von Pisenberg: die Familie Weber von Pisenberg hatte von 1575 bis 1630 die Herrschaft über Krumbach und Hürben inne.
  • das Wappen der Familie von Lichtenstein(-Kastelkorn): Philipp Rudolph von Lichtenstein übernahm die Herrschaft von Krumbach im Jahr 1630; das Krumbacher Schloss war bis 1758 Sitz der Grafen von Lichtenstein-Kastelkorn

Gleich, Walter: Krumbach (Schwaben) in Stichworten, hrsg. von der Stadt Krumbach (Schwaben), Krumbach 2014, S. 156 (Stichpunkt 2207):

„1977: Juli ist die künstlerische Gestaltung der Rathauswestfassade durch Kunstmaler Erich Marschner aus Memmingen fertiggestellt. Neben dem österreichischen Doppeladler, dem Wappen der Stadt und des Landkreises sind noch die Wappen derer von Ellerbach, Lamparter von Greifenstein, Weber von Pisenberg und der Lichtensteins angebracht.“

Habel, Heinrich: Landkreis Krumbach; in: Gebhart, Torsten / Horn, Adam [Hg.]: Bayerische Kunstdenkmale, Bd. 29, München 1969, S. 137:

„1213-1301 Besitz der Markgrafen von Burgau, dann (nach deren Aussterben) bis 1805 des Hauses Habsburg, das Krumbach allerdings vielfach verpfändete, u.a. 1325-1438 an die Herren von Ellerbach.“

Kreuzer, Georg: Krumbach im Mittelalter und zu Beginn der Frühen Neuzeit (ca. 500-1648), S. 51; in: Kreuzer, Georg / Schmid, Alfons / Wüst, Wolfgang [Hg.]: Krumbach. Vorderösterreichischer Markt. Bayerisch-Schwäbische Stadt. Band I, Von den Anfängen bis 1918, Krumbach 1993, S. 46-59.

StAA, Urbarium. Generale Beschreibung der Vorderösterreichischen Herrschaft Krumbach, vom Jahre 1759:

„Hans Lamparth v. Greifenstein Hat durch Losung den Marckht Krumbach [...] an sich gebracht“
„Jn anno 1630 beschehene Yberlaßung d. Herrschaft Krumbach an den Grafen Philiph Rudolf von Lichtenstein.“

Habel, Heinrich: Landkreis Krumbach; in: Gebhart, Torsten / Horn, Adam [Hg.]: Bayerische Kunstdenkmale, Bd. 29, München 1969, S. 137:

„1575-1630 waren die Weber von Pisenberg Inhaber des Lehens[...].“

Die Stadtverwaltung wurde 1986 in das neue Rathaus verlegt.

Telefonat mit Herrn Walter Gleich, am 23.10.2015.

Als das Haus über 300 Jahre alt war, entschied man sich 1991 gegen eine intensive Nutzung und für ein denkmalverträglicheres Konzept.

von Hagen, Bernt / Wegener-Hüssen, Angelika: Denkmäler in Bayern (Landkreis Günzburg), München 2004, S. 316:

„1991 wurde Abstand von einer geplanten intensiven Nutzung genommen und ein denkmalverträgliches Konzept (Ladeneinbauten) bei Erhalt früherer Einbauten verfolgt.“

Architektonische Besonderheiten

Das Rathaus ist ein Rechteckbau mit zwei Stockwerken und einem hohen Zum GlossarSatteldach. Das Erdgeschoss besitzt vier Zum GlossarStichbogenarkaden, je zwei an der Ostseite und je eine an der Nord- u. Südseite. Das Obergeschoss ist durch Zum GlossarBundpfosten vertikal und durch Geschossbalken, Brust- und Kopfriegel, horizontal gegliedert. Über und unter den Fenstern befinden sich die Zum Glossargeschweiften Andreaskreuze. Über dem Ostgiebel ist ein hölzerner, achteckiger Zum GlossarDachreiter mit geschweift schließenden Öffnungen, einem Zum Glossarprofilierten Gesims und einer kupferblechbedeckten Zum GlossarSchweifhaube. Im Vorraum des Erdgeschosses befindet sich noch eine, aus der Erbauungszeit stammende, geschnitzte Zum GlossarBalustersäule.

Habel, Heinrich: Landkreis Krumbach; in: Gebhart, Torsten / Horn, Adam [Hg.]: Bayerische Kunstdenkmale, Bd. 29, München 1969, S. 143:

„Frei inmitten des Marktplatzes stehender zweigeschossiger Rechteckbau mit hohem Satteldach. Erdgeschoß massiv, an der Hauptfront (der östlichen Schmalseite) mit zwei Stichbogenarkaden, im Norden und Süden mit je einer geöffnet (ehem. Metzg, jetzt Vorhalle). Obergeschoß (im Osten 4, im Süden 8 Achsen) und Giebel in Fachwerk: Vertikalgliederung durch Bundpfosten mit geknickten Fußbügen, Horizontalgliederung durch Geschoßbalken, Brust- und Kopfriegel eingefügt die fast quadratischen Obergeschoßfenster (an der Hauptfront vier in unregelmäßigen Abständen), im Giebel-Untergeschoß zwei Paare zweier kleiner Fenster, im Giebel-Untergeschoß zwei kleine“