Expertenfassung

Landauerhaus

Hürbener Str. 15

erarbeitet von Katharina Kornegger 2015

Landauerhaus

(Foto W. Mennel)

Das Landauerhaus gehört zu den wenigen, im Originalzustand bestehenden jüdischen Kulturdenkmälern in Schwaben.

Geschichtliches

Das sogenannte „Landauer-Haus“ liegt im ehemaligen Hürben, das vor allem im 19. Jh. eine der Zum Glossargrößten jüdischen Landgemeinden in Schwaben darstellte. Hürben gehörte bis 1805 zur Markgrafschaft Burgau, was bedeutete, dass Hürben, wie Krumbach, mehrfach verpfändet bzw. verkauft wurde.

Bosch, Erwin: Die Entwicklung der jüdischen Gemeinde, S. 13; in: Bosch, Erwin / Bloch, Esther / Bloch, Ralph: Der jüdische Friedhof von Krumbach-Hürben, in: Kießling, Rolf [Hg.]: Veröffentlichungen der Schwäbischen Forschungsgemeinschaft, Reihe 11 (Quellen und Darstellungen zur jüdischen Geschichte Schwabens), Bd. 4, S. 13-42.

Nachdem im Spätmittelalter mit der Austreibung der Juden aus den Reichsstädten begonnen worden war, z.B. aus Augsburg ab 1438/40, siedelten sich Juden auf dem Land in kleineren Herrschaften an, die ihnen Schutzaufnahme gewährten. Der Ort Hürben „teilte das dynastische Schicksal Krumbachs“ (S. 13). Die Herrschaft forderte für die Schutzaufnahme von Juden Geldbeträge. Für Hürben sind die in den herrschaftlichen Schutz aufgenommenen Juden größtenteils von 1699 bis 1771 aus Pflegamtsrechnungen und Amtsprotokollen bekannt. Die ursprünglichen zwölf Anwesen Hürbens zahlten jährlich ein >bedingtes Schutzgeld< von 100 fl. an die Herrschaft. Nachdem die Zahl der jüdischen Bewohner Hürbens stieg, zahlten diese weiteren Bewohner ein >unbedingtes Schutzgeld<, jeder 6 fl. jährlich, an die Herrschaft. Im Rechnungsbuch der Herrschaft von 1752/53 sind neben den zwölf >bedingtes Schutzgeld< zahlenden Juden weitere 38 >unbedingtes Schutzgeld< zahlende Juden verzeichnet. Neben dem Schutzgeld entrichteten die Juden ihre >Gans-Gelter< an die Herrschaft. Man unterschied dabei nach >Unbehausten< und >Behausten<. >Unbehauste<, die man mit den heutigen „Mietern“ vergleichen kann, fanden bei Behausten (= Hausbesitzern) Unterschlupf. 30 behauste Juden zahlten 1752/53 für zwei Gänse je 1 fl., 20 unbehauste Juden für eine Gans je 30 kr. an die Herrschaft.

Nach dem Frieden von Preßburg (1806) wurde Hürben in das Königreich Bayern integriert. Durch das Zum Glossarbayerische Judenedikt aus dem Jahr 1813 änderte sich der Status der Juden in Bayern. Im Verlauf des 19. Jh. erhielten sie volle staatsbürgerliche Gleichberechtigung.

Zoepfl, Friedrich: Geschichte der Stadt Mindelheim in Schwaben, München 1948, S. 241:

„Das 19. Jahrhundert brachte den Juden in Deutschland die volle staatsbürgerliche Gleichberechtigung […] und damit das Recht, sich überall niederzulassen.“

In Hürben gab es laut Walter Gleich 1830 116 Familien; das waren ca. 500 Personen, die in 77 Anwesen wohnten.

Gleich, Walter: Krumbach (Schwaben) in Stichworten, Krumbach 2014, S. 36 (Stichpunkt Nr. 457):

In Hürben „sind [1830] 116 Judenfamilien in 77 Anwesen mit ungefähr 500 Personen.“

Im Jahre 1840 erreichte die Zahl der Hürbener Juden mit 652 jüdischen Personen ihren Höchststand, was einen Bevölkerungsanteil von 48% in Hürben ausmachte.

Schmid, Alfons: Krumbach unter bayerischer Herrschaft vom Jahre 1805 bis zum Ende des Ersten Weltkrieges, S. 214
in: Kreuzer, Georg / Schmid, Alfons / Wüst, Wolfgang [Hg.]: Krumbach. Vorderösterreichischer Markt. Bayerisch-Schwäbische Stadt, Band I, Krumbach (Schwaben) 1993, S. 174-234.

Da zu wenige Wohnungen und Bauplätze vorhanden waren, waren einige Häuser in etliche Teile untergliedert. Es kam vor, dass Juden nur eine halbe Stube des Hauses besaßen. Damit keine Schwierigkeiten entstanden, hatte jede Wohnung eine eigene Hausnummer.

Bosch, Erwin: Unveröffentlichte Häuserchronik Hürbens, 2015.

Bosch, Erwin: Die Entwicklung der jüdischen Gemeinde; in: Bosch, Erwin / Bloch, Esther / Bloch, Ralph: Der jüdische Friedhof von Krumbach-Hürben, in: Kießling, Rolf [Hg.]: Veröffentlichungen der Schwäbischen Forschungsgemeinschaft, Reihe 11 (Quellen und Darstellungen zur jüdischen Geschichte Schwabens), Band 4, S. 13-42.

Parallelen findet man auch bei der Familie Landauer, da das Gebäude 1801 in zwei Wohnungen mit den Hausnummern 149 und 150 unterteilt war.

Bayerische Vermessungsverwaltung, Liquidationsprotokoll der Hs. Nr. 149/150 1835/1836.

Ab der Mitte des 19. Jh. verringerte sich die Anzahl der Juden in Hürben stark. Gründe waren beispielsweise die Abwanderung in andere Städte sowie die Auswanderung nach Übersee.

Gleich, Walter: Krumbach (Schwaben) in Stichworten, Krumbach 2014, S. 38 (Stichpunkt Nr. 487):

„Die Zahl der Juden [erreichte 1840] mit 652 Personen (das sind 48% der Bevölkerung von Hürben) ihren Höchststand. Die Zahl der Juden nimmt ab diesem Zeitpunkt […] durch Abwanderungen in größere Städte, (die jetzt den Zuzug von Juden erlauben), und durch Auswanderungen nach Amerika [ständig ab].“

Seit 1902 ist Hürben durch einen Vereinigungsvertrag ein Stadtteil Krumbachs. An der verkehrsreichen Stelle, an der die B300 in die B16 mündet, befindet sich das Landauer-Haus. Heute bezeichnet man das Kulturdenkmal als eines der „Kernstück[e] des ehemaligen Zentrums von Hürben.“

Mittelschwäbische Nachrichten: Im Sanierungsgebiet Hürben: Verkehrsberuhigung heißt die Devise. Planer Meinel legt Untersuchungsbericht vor, S. 27, 05.08.1989:

„so ist in diesem alten Dorfkern von Hürben die Erhaltung der Bausubstanz das wichtigste Ziel. Dies gilt für den Planer im besonderen für die alten Judenhäuser. [...] Die Analyse selbst [...] beschäftigt sich [...] schließlich mit einem kurzen Abriß der Ortsgeschichte, wobei den Juden in Hürben ein besonderes Kapitel gewidmet ist. Dies deshalb, weil in Hürben noch viele ehemalige jüdische Häuser stehen, die einmal im Besitz jüdischer Händler waren und, [weil] zum anderen die Juden einen entscheidenden Bestandteil der Hürbener Geschichte bilden.“

Das Anwesen wurde im Jahre 1801 von der Familie Landauer, dem Vater Raphael Leopold und dessen Sohn Raphael Löb Landauer, erbaut.

Bayerische Vermessungsverwaltung, Liquidationsprotokoll der Hs. Nr. 149/150, 1835/1836:

„Liquident und sein Vater Raphael Leopold Landauer zu Hürben haben das Hauß Hs. Nr. 149 und 150 neu erbaut. Liquident ist Eigenthümer von dem vorbeschriebenen unteren Stock, gemaes Brief vom November 1801. - Vermoege dieses nämlichen Briefs erhilet Liquident auch ein Viertel Gemeindegerechtigkeit vom Vater Raphael Leopold Landauer zu Hürben im Anschlag zu 75 fl“

„Die Sippe mit dem Familiennamen Landauer ist eine der weitverzweigtesten und eine der ältesten mit einem Stammesnamen.“

Ein Beispiel ist Kurt Landauer, der als „FC-Bayern-Erfinder“ bezeichnet wird und dessen Vater Otto Landauer in Hürben 1842 geboren wurde.

Mittelschwäbische Nachrichten: „Die Hürbener Wurzeln des »FC-Bayern-Erfinders«. Der frühere FC-Bayern Präsident Kurt Landauer hat eine ganz besondere Beziehung zu Mittelschwaben“, 15.10.2014:

Interessant ist, „dass Kurt Landauers Familiengeschichte direkt ins schwäbische Hürben zurückreicht. Vater Otto Landauer ist ein Hürbener Jude, geboren am 7. Dezember 1842 zu »Hürben, Hs. Nr. 82«“.

Die Familie Landauer war durch den Handel mit der Stadt Mindelheim während der Koalitionskriege reich geworden. Die Stadt Mindelheim hatte die Hürbener Juden Leopold und Israel Landauer und Jonas Levi mit den Lieferungen an habsburgische und französische Truppen beauftragt.

Zoepfl, Friedrich Geschichte der Stadt Mindelheim in Schwaben, München 1948, S. 239 ff.:

Jahrhundertelang hatte die Stadt Mindelheim Geldgeschäfte mit Juden verboten, da ihnen Wuchergeschäfte vorgeworfen wurden.
„Zum Schutz der Bürger erließ die Herrschaft zwischen 1528 und 1536 nun das strenge Verbot, sich mit den Juden in Geldgeschäfte einzulassen. Weil durch der Juden Wucher, so lautet die Bestimmung, der arme unfürsichtige Mann, mehr als jemand rechnen kann, beschwert und gänzlich verderbt wird, darum darf kein Bürger und Einwohner mit den Juden mehr eine Gemeinschaft haben und nichts von ihnen auf Verschreibung (=Schuldverschreibung) oder Unterpfand entlehnen. [...] Das Verbot von den Juden Geld zu nehmen, wurde unter den Fuggern Ende des 16. Jahrhunderts für Stadt und Herrschaft wiederholt. [...] Der Kampf gegen den jüdischen Handel wurde im 18. Jahrhundert fortgeführt.“

Ebd., S. 240:

Da der Stadt Mindelheim in der Zeit der Koalitionskriege Requisitionen, d. h. Beschlagnahmungen von z. T. zivilen Sachgütern für Heereszwecke, an die österreichischen und französischen Truppen auferlegt wurden, beauftragte die Stadt Mindelheim die Hürbener Juden Leopold und Israel Landauer und Jonas Levi mit den Lieferungen. Die Lieferung von Leopold Landauer bestand aus 50 Zentnern Mehl, 1000 Metzen Hafer, 500 Zentnern Heu; er erhielt 500 Gulden für das gelieferte Mehl und je geliefertem Zentner Heu 2 Gulden 24 Kreuzer.
„Es war nun mehr als eine Ironie, daß sich kaum zwanzig Jahre später die Stadt gezwungen sah, die Geschäftsgewandtheit der Juden in Anspruch zu nehmen, um die ihr in den Kriegsjahren 1797/1800 von Freund und Feind auferlegten gewaltigen Requisitionen aufzutreiben. Mit der Lieferung beauftragten sie die Hürbener Juden Leopold und Israel Landauer und Jonas Levi. Gemäß Vertrag […] hatte Leopold Landauer für die Stadt Mindelheim an das K.K. Hauptquartier zu liefern 50 Zentner Mehl, 1000 Metzen Hafer, 500 Zentner Heu. Für den Zentner Mehl erhielt er 10 Gulden, für den Zentner Heu 2 Gulden 24 Kreuzer.“

Der Sohn Raphael Löb Landauer baute sich ein Antiquitätengeschäft auf.

http://trachten.bezirk-schwaben.de/ueber-uns/landauer-haus/, aufgerufen am 19.11.2015:

„Zusammen mit seinem Sohn Raphael, dessen Beruf bereits mit Antiquitätenhändler oder einfach mit „Kapitalist" angegeben wurde, baute er ein großes Wohnhaus.“

Raphael Leopold Landauer und sein Sohn Raphael Löb bewohnten das Gebäude gemeinsam; allerdings unterschied man zwei Hausnummern, Hausnummer 149 und 150. Außerdem wurden der Hofraum, der Stall, die Holzhütte und der Dachboden jeweils zur Hälfte geteilt. Der Vater Raphael Leopold Landauer bewohnte die untere Etage. Der Hausname war „beim schwarzen Fuli“, was auf die Haarfarbe Raphael Leopold Landauers und dessen Beruf als Pferdehändler Bezug nahm. Zudem wurde im selben Gebäude ein Eisenhandel betrieben. Sie bestand aus einem Wohnzimmer, zwei Kammern, Küche, Speis, Eisenladen, Kinderzimmer, Komptoir. Der Sohn Raphael Leopold Landauer, ebenfalls Pferdehändler, bewohnte im ersten Stock sechs Wohnzimmer und Küche. Im Jahre 1825 übernahm Raphael Löb nach dem Tod des Vaters Raphael Leopold die zweite Haushälfte.

Bayerische Vermessungsverwaltung, Liquidationsprotokoll der Hs. Nr. 149/150, 1835/1836, S. 1083-1101:

„Raphael Loew Landauer – beim schwarzen Fuli – Eisenladen – Hs. Nr. 149
Bestandbar – Wohnung im unteren Stock, bestehend aus einem Wohnzimmer, zwey Kammern, Küche, Speiß, Eisenladen, Kindszimmer, Comptoir, halbem Antheil am Hofraum, halbem Antheil am Stall und an der Holzhütte, und halbem Antheil am Boden
Liquident und sein Vater Raphael Leopold Landauer zu Hürben haben das Hauß Hs. Nr. 149 und 150 neu erbaut. Liquident ist Eigenthümer von dem vorbeschriebenen unteren Stock, gemaes Brief vom November 1801. - Vermoege dieses nämlichen Briefs erhilet Liquident auch ein Viertel Gemeindegerechtigkeit vom Vater Raphael Leopold Landauer zu Hürben im Anschlag zu 75 fl [...].
Den oberen Stock hatte Raphael Loew Landauer – beim schwarzen Fuli – Pferdhaendler – Hs. Nr. 150
Bodenzinsig eigen – Wohnung im oberen Stock, bestehend aus sechs Wohnzimmer[n], einer Küche, halbem Antheil am Boden, halbem Antheil am Hofraum, halbem Antheil am Stall und Holzhütte [...]
Liquident hat auf Ableben seines Vaters Raphael Leopold Landauer in Hürben diese zweyte Haußhaelfte Hs. Nr. 150 uibernommen, gemaes Brief vom Dezember 1825, im Anschlag zu 300 fl, einschlüßig Ein Viertel Gemeinde Nuzantheil von Litt B, indem er das zweyte Viertel gemaes Brief vom November 1801 vom Vater im Anschlag zu 75 fl erhalten hat[.]“

StAA, Kataster Krumbach Bd. 968 II, Renovirtes Grundsteuerkataster der Steuergemeinde Hürben.

Als Raphael Löb Landauer 1843 starb, erbte die kinderlose Witwe Babette Landauer, genannt „Peppi“, das Gebäude. Aufgrund ihrer schlechten gesundheitlichen Verfassung verkaufte sie 1860 das große Anwesen an Caroline Landauer.

StAA, Kataster Krumbach Bd. 968 II, Renovirtes Grundsteuerkataster der Steuergemeinde Hürben.

Im Jahr 1872 kaufte Jakob Lazarus Guggenheimer das Haus und legte die beiden Wohnungen zusammen, wodurch nur noch die Hürbener Hausnummer 149 weiter bestand.

Nach dem Tod der Witwe Maria Guggenheimer erbte der Neffe Samuel Neuburger das Wohngebäude.

StAA, Kataster Krumbach, Bd. 968 II, Renovirtes Grundsteuerkataster der Steuergemeinde Hürben.

Die 100-jährige jüdische Tradition des „Landauer-Hauses“ endete 1902, als Karl Schwarz Eigentümer wurde.

Bayerische Vermessungsverwaltung, Liquidationsprotokoll der Hs. Nr. 149/150, 1835/1836, S. 1083-1101.

1928 erbte sein Sohn Karl jun. das Gebäude. 1929 verkaufte dieser das Wohnhaus an den Bezirksarzt Dr. Hugo Noll um 15 000 Goldmark.

StAA, Kataster Krumbach, Bd. 968 II, Renovirtes Grundsteuerkataster der Steuergemeinde Hürben.

Zwischen 1929 und 1971 finden sich nur lückenhafte archivalische Nachweise. Ab 1934 war die Witwe von Dr. Hugo Noll Eigentümerin. 1964 sind Sigmund und Karoline Hitzelberger aus Ried bei Pfronten als Besitzer belegt.

StAA, Kataster Krumbach Bd. 968 II, Renovirtes Grundsteuerkataster der Steuergemeinde Hürben.

1971 bis 1988 wechselte das Anwesen mehrfach seinen Besitzer. 1971 kaufte beispielsweise Hans Dreier das Gebäude. 1974 erwarb die NEBA (Neue Eigenheimbau GmbH&Co) das Landauerhaus.

Privatarchiv Auer

Von 1982 bis 1988 wurde das Gebäude als Wohnhaus für türkische Bewohner genutzt.

Privatarchiv Auer

Seit 1988 war das Anwesen unbewohnt, was sich negativ auf die Bausubstanz und das Erscheinungsbild des Hauses auswirkte, was an „bröckelndem Putz, eingeschlagenen Scheiben, morsche[n] Fensterblöcke[n]“ zu sehen war.

Privatarchiv Auer

Mück, Andreas: Das Landauer-Haus. Jüdische Wohnhäuser:

„Der Zustand des seit 1988 unbewohnten Landauer-Haus verschlechtert sich von Jahr zu Jahr und läßt es mit seinem bröckelnden Putz, seinen eingeschlagenen Scheiben und seinen morschen Fensterblöcken in einem beklagenswerten Zustand erscheinen.“

Die Landauer Haus GbR, eine Gesellschaft, die lediglich aufgrund der Absicht, das Landauer-Haus zu renovieren, gegründet wurde, bemühte sich sehr um eine Sanierung des Hauses. Jedoch war zu dieser Zeit die Wohnbaugesellschaft NEBA (Neue Eigenheimbau GmbH&Co) im Besitz des Hauses, die die Intention hatte, auf dem Grundstück einen neuen Wohnkomplex zu erbauen.

http://trachten.bezirk-schwaben.de/ueber-uns/landauer-haus/, aufgerufen am 19.11.15:

„Für diesen Zweck hat die Bauträgerfirma bereits die beiden nördlich gelegenen Grundstücke erworben, um dann das ganze Areal mit einer modernen Wohn- und Geschäftsanlage zu bebauen.“

Privatarchiv Auer

Als am 23./24.05.1992 der 27. Schwäbische Heimattag in Krumbach stattfand, beschäftigte man sich mit der Sanierung des „hervorragenden Zeugnis[ses] der jüdischen Geschichte Hürbens“. Der Heimatverein engagierte sich, indem er sich an einige Institutionen wandte, um sie aufzufordern, gegen den Verfall des Hauses etwas zu unternehmen.

Resolution des 27. Schwäbischen Heimattages in Krumbach vom 22.5.1992, in: Privatarchiv Auer

http://trachten.bezirk-schwaben.de/ueber-uns/landauer-haus/, aufgerufen am 22.10.15:

„Erst als der Schwäbische Heimattag 1992 zum 2. Mal nach Krumbach kam und sich speziell die jüdische Geschichte in Schwaben zum Thema wählte, wurden die Delegierten u. a. auf die Problematik dieses einstigen jüdischen Wohnhauses hingewiesen. Es wurde eine Resolution für den Erhalt dieses Gebäudes abgefaßt und an die Politiker und Presse geleitet. Erst jetzt kam wieder Bewegung in die Erhaltung des Hauses.“

Daraufhin wurde es schließlich Gesprächsthema der folgenden Stadtratssitzung. Außerdem setzten sich einige Politiker für den „Erhalt des Gebäudes“ ein. Dem damaligen Bundesfinanzminister Dr. Theo Waigel war viel an dem jüdischen Denkmal seiner Heimat gelegen. Deshalb forderte er den „Geschäftsführer des Schwäbischen Heimattages, Herrn Uli Braun“ auf, „dieses gefährdete, denkmalgeschützte Schmuckstück jüdisch-schwäbischer Architektur vor dem Verfall zu bewahren.“ Obwohl die Stadt Krumbach und die Befürworter des Erhalts des Baudenkmals engagiert und eifrig arbeiteten, scheiterten die Bemühungen, trotz der Förderung des Sanierungsbetreuers, dem Verfall des Gebäudes vorzubeugen.

Dr. Theo Waigel an Uli Braun vom 17.7.1992, in: Privatarchiv Auer

Es wurde in Zusammenarbeit mit der Sanierungsbetreuung SOZIALBAU Kempten ein „realisierbares Planungs- und Finanzierungskonzept“ erstellt. 1994 kaufte die Verwaltungsgemeinschaft Krumbach das Anwesen zur Nutzung als Rathaus für die sechs Mitgliedsgemeinden. Anfangs war man auch sehr optimimistisch, wie man aus dem Artikel der Mittelschwäbischen Nachrichten erkennen kann, dennoch wurde dieses Vorhaben aufgrund zu geringer finanzieller Mittel nicht verwirklicht.

Mittelschwäbische Nachrichten: Ein eigenes Rathaus in Hürben. Judenhaus wird Amtsgebäude der Verwaltungsgemeinschaft, S.30, 16./17.7.1994:

„Die Zukunft des aus dem Jahr 1800 stammenden ehemaligen Judenhauses an der Munding-Kreuzung ist gesichert: Es wird zum Amtsgebäude für die Verwaltungsgemeinschaft Krumbach umgebaut. [...] Nach gut einjährigen Gesprächen und Verhandlungen liegen die Fakten nunmehr offen. Mit nur einer Gegenstimme haben sich die 15 Vertreter aus den sechs Mitgliedsgemeinden [...] für den Ankauf des Grundstücks samt denkmalgeschütztem Gebäude ausgesprochen. [...] Insgesamt ergibt dies Zuwendungen von 1,87 Millionen Mark, so daß die Verwaltungsgemeinschaft noch rund 560 000 Mark an Eigenmitteln aufzubringen hat.“

Zuerst war man von der komplikationslosen Verwirklichung überzeugt. Die Verteilung der Kosten von 2,4 Millionen auf die Mitgliedsgemeinden und verschiedene Behörden [wie das Amt für Denkmalpflege, die Bayerische Landesstiftung, die Städtebauförderung] und auf die Stadt Krumbach sollte dies ermöglichen. Die Durchführung dieses Planes kam nicht zustande, da die staatlichen Sponsoren einen Rückzieher machten. Wegen der Begebenheiten nutzte die Verwaltungsgemeinschaft ihr Verkaufsrücktrittsrecht. Die NEBA-Eigenheimbau GmbH&Co wurde somit 1995 erneut Besitzer.

Mittelschwäbische Nachrichten: Landauer-Haus: Zukunft bleibt ungewiß. Kultusministerium stellt Bedingungen vor Förderung - Stadt hat dafür kein Verständnis, 04./05.04.1996:

„Konkret geht es jetzt um eine Förderung aus dem Entschädigungsfonds der Bayerischen Staatsregierung, für die das Kultusministerium zuständig ist.“
Bürgermeister Georg Winkler zu den zahlreichen Einschränkungen des Ministeriums:
“>Sollte also die rechtzeitige Zuschußzusage von den inzwischen neu angestellten Finanzierungsüberlegungen bis zum möglichen Kaufrücktrittstermin nicht vorliegen, kann es sich Ihr Ministerium als Verdienst anrechnen lassen, zwar nicht zur Vermögensmehrung von Zuwendungsempfängern beigetragen, aber die Sanierung eines überregional bedeutsamen jüdischen Gebäudes zumindest dem weiteren Verfall, wenn nicht gar dem Abbruch ausgeliefert zu haben.< [...]
Der Bürgermeister bittet […] das weitere Schicksal des im Bestand gefährdeten Baudenkmals in den Vordergrund zu stellen und zugleich zu bedenken, daß das Risiko einer umfangreichen Denkmalsanierung nur von Besitzern eingegangen werden kann, die es sich aufgrund ihrer Vermögenslage leisten können.“

Im Dezember 1995 kaufte die „Landauer-Haus GbR“ das Denkmal. Wegen Finanzierungsschwierigkeiten trat die Gesellschaft jedoch vom Kaufvertrag zurück. Die Renovierung war schwierig, da das Anwesen nach statisch modernen Richtlinien renoviert werden sollte, aber die „denkmalgeschützte Fassade nicht zerstört werden [durfte].“ Deswegen besaßen nicht nur die Stadt und die Interessenten großen Entscheidungseinfluss, sondern auch die Denkmalpflege.

Mündliche Auskunft durch Herbert Auer

1996 kaufte der Bezirk Schwaben das Gebäude und sanierte es. Zudem fand die Einweihung der „Schwäbischen Trachtenberatungsstelle“ statt, die nach Abschluss der Sanierungsarbeiten ihren Platz im Landauerhaus finden sollte.

http://trachten.bezirk-schwaben.de/ueber-uns/landauer-haus/, aufgerufen am 19.11.2015:

„Erst im Juli 1996 konnte das Haus endlich aufatmen, denn der Bezirk Schwaben übernahm das städtebaulich wertvolle Gebäude, um dort die Trachtenberatungsstelle unterzubringen.“

1999 zog die Zur Forschungs- und Beratungsstelle für TrachtenTrachtenkulturberatung für Schwaben in das Landauer-Haus ein.

http://trachten.bezirk-schwaben.de/ueber-uns/landauer-haus/, aufgerufen am 19.11.2015:

„Im Herbst 1999 ist diese Bezirkseinrichtung in das hervorragend restaurierte Haus gezogen.“

Zur Architektur des Gebäudes

Das Gebäude ist zweigeschossig mit Zum GlossarSatteldach und vorgerücktem bzw. vorgezogenem Zum GlossarZwerchgiebel. Die Hauptfront wird von senkrechten Zum GlossarEcklisenen, z. B. Zum GlossarPilastern, und horizontalen Putz- bzw. gemauerten Gesimsen flankiert.

von Hagen, Bernt/ Wegener-Hüssen, Angelika [Hg]: Denkmäler in Bayern, Band VII 99/1 (Landkreis Günzburg), München 2004, S. 305:

Das „Wohnhaus [ist ein] „Satteldachbau“; es „handelt […] sich um einen frei stehenden, zweigeschossigen Traufseitbau mit Zwerchhaus“.

Die mittlere, breite Achse der fünfachsigen und sehr streng symmetrischen Ostfront ist stark vorgezogen und ist von Zum Glossartoskanischen Zum GlossarPilastern begrenzt.

Habel, Heinrich: Landkreis Krumbach; in: Gebhard, Torsten/ Horn, Adam [Hg.]: Bayerische Kunstdenkmale Bd. 29, München 1969, S. 146:

Die „Hauptfront [ist] im Osten mit 5 Achsen, die mittlere [von] sehr breite[n,] stark vorgezogene[n] und von toskanischen Eckpfeilern mit Gebälkstücken flankiert“. „[Z]wischen kleinen Fenstern [ist] über dem Risalit ein 3. Geschoß mit steilem Dreiecksgiebel aufgesetzt.“

Mündliche Auskunft von Architekt Burkhard Günther:

Statt des Begriffes „Eckpfeiler“ sollte oben besser der Begriff „Pilaster“ verwendet werden.

Das fünfachsige Gebäude mit einer Grundfläche von 15 x 14 m ist auf der Ostseite durch einen Zum GlossarZwerchgiebel unterteilt, in dem sich der Haupteingang befindet.

Kolleffel, Johann Lambert: Schwäbische Städte und Dörfer um 1750. Geographische und Topographische Beschreibung der Markgrafschaft Burgau 1749-1753, Band 2, S. 366; von Hagen, Bernt / Wegener-Hüssen, Angelika [Hg]: Denkmäler in Bayern, Band VII 99/1 (Landkreis Günzburg), München 2004, S. 305:

„Kolleffel bildete um 1750 (S. 366) auf seinem Ortsgrundriss an gleicher Stelle einen Zum Glossarbarocken Vorgängerbau ab. Zu diesem Vorgänger könnte neben dem tonnengewölbten Keller mit seinen Kienspannischen der erst 1999 entdeckte Hausbrunnen unmittelbar vor der östlichen Traufwand gehören.“

Das Gebäude besitzt eine fünfachsige Front mit dem bereits erwähnten Zwerchgiebel, der von zwei Zum GlossarPilastern (lat. pila = Pfeiler) begrenzt ist. Die Architektur weist auf den bedeutenden Baumeister Zum GlossarJoseph Dossenberger hin.

von Hagen, Bernt / Wegener-Hüssen, Angelika [Hg]: Denkmäler in Bayern, Band VII 99/1 (Landkreis Günzburg), München 2004, S. 305:

„Der pilastergerahmte, von einem Dreiecksgiebel überfange[ne] Mittelrisalit“ sowie „[d]ie tiefe Portalnische des Mittelrisalits mit flankierenden Zum GlossarFlezfenstern sowie die erste Fassung der Architekturmalerei an den Fassaden erinnern an die Bauformen Joseph Dossenbergers (1721-1785), der nachweislich für jüdische Auftraggeber [in Krumbach-Hürben] tätig war“.

siehe auch: Schönhagen, Benigna / Auer, Herbert: Einladung zu einem Rundgang. Jüdisches Krumbach-Hürben. Haigerloch 2002, S. 23.

„An den seitlichen Rücklagen“ kann man ein Zum GlossarGurtgesims erkennen.

Rosettenmotiv und Eierstab im Landauerhaus

(Foto K. Kornegger)

Außerdem sind einfache Zum GlossarStuckrahmenprofile mit Zum GlossarRosettenmotiven (Rosette: frz. „kleine Rose“) und Zum GlossarEierstab vorhanden.

Dachstuhl im Landauerhaus

(Foto K. Kornegger)

Der Dachstuhl besteht aus einer dreizonigen Zum GlossarKehlbalkenkonstruktion.

von Hagen, Bernt / Wegener-Hüssen, Angelika [Hg]: Denkmäler in Bayern, Band VII 99/1 (Landkreis Günzburg), München 2004, S. 306:

„Das Dachwerk zeigt eine dreizonige Kehlbalkenkonstruktion mit liegendem Stuhl im ersten und stehendem Stuhl im zweiten Dachgeschoss.“ Dies ist „eine spezielle Konstruktionsart, die sich auch in den benachbarten Judenhäusern finden lässt“.